Jeder Tropfen zählt

Petra Grothe alle 3. Mai 2020

Jeder Tropfen zählt

Es ist so wichtig, dass wir unser wertvolles Leben nutzen und nicht einfach im Unwesentlichen untergehen lassen. Schon Goethe hat erkannt:
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Aeonen untergehn.

Ausschnitt aus Faust:

Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Heerde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Fluth bis auf zum Rand,
Und wie sie nascht gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Aeonen untergehn. –
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick.
(Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf
und legen ihn auf den Boden.)

Johann Wolfgang von Goethe, Ausschnitt aus Faust, Die Tragödie zweiter Teil.
Deutsches Textarchiv